Sonntag, 5. März 2006

Robert Gernhard über Islamisten

Erst mal schauen, dann Meinung bilden - Robert Gernhardt
Die Islamisten haben die Medien eingeschüchtert

Der Schriftsteller Salman Rushdie, die niederländische Abgeordnete Ayaan Hirsi Ali, der Islam-Kritiker Ibn Warraq und weitere muslimische Intellektuelle haben in verschiedenen europäischen Zeitungen einen Aufruf gegen den religiösen Totalitarismus veröffentlicht. Unter anderem in der dänischen „Jyllands-Posten”, an deren Mohammed-Karikaturen sich Unruhen in der ganzen Welt entzündeten, aber auch in anderen Blättern schreiben Rushdie und acht Mitstreiter, daß die Welt „nach Faschismus, Nazismus und Stalinismus” eine neue Bedrohung gewärtige: den Islamismus.

„Wir, Schriftsteller, Journalisten und Intellektuelle, rufen zum Widerstand gegen religiösen Totalitarismus und zur Unterstützung von Freiheit, gleichen Rechten und Möglichkeiten sowie säkularen Werten für alle auf”, heißt es in dem Manifest. Wir haben den Frankfurter Dichter und Satiriker Robert Gernhardt zum sogenannten Karikaturenstreit und zu dessen Folgen für die Kunst- und Pressefreiheit befragt.

Haben Sie schon einmal den Propheten Mohammed karikiert?

Nein, weil ich nie einen Grund dazu hatte. Im Gegensatz zum Personal meiner eigenen christlichen Religion. Da hatte ich gute Gründe, schließlich wurde ich in meiner Kindheit auf diesem Feld bedrängt und bedrückt.

Der liebe Gott taucht immer wieder in Ihrem satirischen Werk auf. Hat der Papst schon mal mit dem Bann gedroht?

Nein. Aber fromme Christen haben mir schon einmal wegen eines Gedichtes Höllenstrafen angekündigt.

Welche gotteslästerlichen Verse haben Sie damals gereimt?

Lieber Gott, nimm es hin,/daß ich was Besondres bin./Und gib ruhig einmal zu,/daß ich klüger bin als du./ Preise künftig meinen Namen,/denn sonst setzt es etwas. Amen.

Ist jetzt mit dem Karikaturenstreit das Thema Mohammed für Satiriker tabu?

Nein, das darf es nicht sein. Ich möchte aber an einem anderen Punkt ansetzen. Für mich bestand das größte Ärgernis darin, daß ich diese Karikaturen nicht zu Gesicht bekam.

Hätten etwa alle Zeitungen sie abdrucken sollen?

Ja. Das meine ich wohl. Alle westlichen Zeitungen hätten sie zeigen sollen, um ihre Leser zu informieren, worum es bei dem Streit eigentlich geht. Jetzt werden wir in einem Zustand der Unmündigkeit gehalten. Ich jedenfalls habe besagte Karikaturen nur einmal schnell bei den Abendnachrichten über den Bildschirm flackern sehen.

Sie meinen, daß die Bürger hierzulande in derselben Situation sind wie die empörten Muslime, daß sie nämlich die Zeichnungen des Anstoßes nie gesehen haben?

Ja. Ich sollte mir eine Meinung bilden zu etwas, das ich nicht gesehen hatte. Und die Muslime hatten von vornherein eine Meinung zu etwas, das sie nicht gesehen hatten. Insofern saßen wir im selben Boot. Aber in unserer westlichen Kultur sind wir eigentlich angetreten mit dem Vorsatz, nur über Dinge zu reden, die wir gesehen und überprüft haben.

Haben die radikalen Muslime mit ihrem Bilderverbot damit auch bei uns gesiegt?

Sie haben durch Einschüchterung die westlichen Medien zur Aufgabe eines Grundprinzips bei der Meinungsbildung gebracht, das da lautet: Zuerst mal schauen, was da los ist, und dann eine Meinung bilden. Und nicht umgekehrt: Eine Meinung haben und nicht hinschauen, weil diese Meinung ja gestört werden könnte.

Kann man von einem vorauseilenden Gehorsam sprechen?

Ja, das kann man. Jetzt wird immer das Argument „Die Gefühle werden verletzt” ins Feld geführt.

Muß ein Karikaturist nicht qua Profession Gefühle verletzen?

Genau. Wenn er es nicht tut, kann er gleich Heiligenbilder malen. Was heißt denn Gefühle verletzen? Jeder kann sich hinstellen und sagen: „Mein Gefühl wird verletzt.” Kanzlerin Merkel zum Beispiel, wenn in irgendeiner Zeitung eine Karikatur abgedruckt wird, die ihr nicht paßt.

Muß man aber bei religiösen Themen nicht etwas zurückhaltender sein?

Kluge Theologen sagen: „Gott läßt sich nicht beleidigen.” Beleidigen lassen sich nur Menschen, die sich bestimmte Vorstellungen von Gott machen. Ich selbst bin aufgewachsen mit einer Art Stasi-Gott. Wehe, wehe, der liebe Gott sieht alles. Eine solche Gottesvorstellung darf man natürlich lächerlich machen.

Und was darf man nicht?

Ich würde zum Beispiel nicht in ein islamisches Land gehen und Mohammed mit einem Schwein in Verbindung bringen. Das muß nicht sein. Gegen Mohammed lassen sich ganz andere Dinge vorbringen, und das haben die dänischen Karikaturisten ja getan. Sie haben nicht den Mohammed der Heilsgeschichte vorgeführt, sondern den Mohammed der Islamisten. Einen Mohammed, von dem einige Fanatiker glauben, er habe ihnen den Auftrag gegeben, zum Beispiel eine Hochzeit in die Luft zu sprengen. Gegen solche Attentäter sind nie Muslime auf die Straße gegangen.


Die Fragen stellte Hans Riebsamen.

Text: F.A.Z., 06.03.2006, Nr. 55 / Seite 42
Bildmaterial: picture-alliance/ dpa/dpaweb

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