Freitag, 29. April 2005

Macht und ökonomisches Gesetz

Kommentar
Macht und ökonomisches Gesetz
Von Patrick Welter


28. April 2005 Die Kapitalismusschelte des Franz Müntefering steht für mehr als den Versuch des SPD-Vorsitzenden, die Wahl in Nordrhein-Westfalen noch herumzureißen. Sie steht ebenso für die Panik, die Politiker angesichts der Wachstumsschwäche erfaßt hat.


Sie steht für die Verzweiflung, die sich in der Bevölkerung angesichts der zunehmend freien Weltmärkte ausbreitet. Und sie steht für die Furcht vor 74 Millionen Menschen in den neuen EU-Staaten, vor 1,1 Milliarden Indern und vor 1,3 Milliarden Chinesen, die nichts sehnlicher erhoffen, als durch den Verkauf ihrer Produkte und Dienstleistungen ihr karges Leben zu verbessern.

Kampf gegen das ökonomische Gesetz ...

"Wir wollen nicht zusehen, wie Geld die Welt regiert." In diesem Satz von Müntefering kristallisiert sich das Gefühl, der Globalisierung ohnmächtig gegenüberzustehen. Diese Sorge treibt die Versuche der Bundesregierung, mit Mindestlöhnen, mit der Behinderung der Dienstleistungsfreiheit in der EU und mit Quoten für chinesische Textilprodukte den Wettbewerb auszuschalten. All diese Schritte dienen einem Ziel: das Primat der Politik über den Markt zu sichern. Den Kampf gegen das ökonomische Gesetz aber kann die Politik nicht gewinnen - und sie hat ihn bei näherer Betrachtung auch noch nie gewonnen.

Am Beispiel der Verteilung des Volkseinkommens zwischen Arbeit und Kapital stellte der österreichische Ökonom und Finanzminister Eugen von Böhm-Bawerk schon 1914 die Frage: "Macht oder ökonomisches Gesetz?" Seine Antwort ist heute noch gültig. Wenn "soziale Macht" sich gegen den Markt stellt, verliert sie immer. Den Versuch, die natürliche Verzinsung des Kapitals zugunsten der Arbeiterschaft oder des Staates zu schmälern, bestraft der Markt mit weniger Produktion, Investition und Beschäftigung. Die Politik kann die ökonomischen Gesetze abstreiten, sie kann aber nur im Rahmen der ökonomischen Verhältnisse handeln. Akzeptiert sie dies nicht, ruiniert sie eine Volkswirtschaft - zuerst unmerklich, dann mit voller Wucht.

... mit verheerenden Folgen

Zu beobachten ist ebendies in Deutschland. Die Wachstumsschwäche ist nicht Folge einer schwachen Konjunktur. Sie ist Folge einer über Jahrzehnte aufgebauten Massenarbeitslosigkeit, verursacht durch das politische Verlangen nach Steuergeldern und Umverteilung und durch das noch zur Zeit der deutschen Einheit herrschende Lohndiktat der straff organisierten westdeutschen Arbeiterschaft. Das Trendwachstum läge nicht bei magerem einem, sondern bei soliden zwei oder drei Prozent, ließen Bundesregierung und Gewerkschaften den Arbeitslosen die Chance, sich zu niedrigeren Löhnen Arbeit zu suchen.

Die politisch gewollte Integration der neuen EU-Staaten, Indiens und Chinas in die Weltwirtschaft hat die ökonomischen Verhältnisse grundlegend verändert. Arbeit ist reichlicher vorhanden, und Kapital ist knapper geworden. Unvermeidbar steigt der Kapitalzins im Verhältnis zum Lohn. Die Gewinne der Unternehmen steigen, die Löhne fast gar nicht mehr. Der Versuch, sich dagegen mit Mindestlöhnen oder der teilweisen Schließung der Grenzen zu wehren, bedeutet den Verzicht auf mehr Wohlstand hierzulande.

Offene Märkte

Die Deutschen wären nicht so wohlhabend, wie sie es trotz aller Probleme noch sind, hätten ihnen andere Länder nicht nach dem Zweiten Weltkrieg ihre Märkte geöffnet - und hätten sie ihre Märkte nicht für andere geöffnet. Deutschland profitiert auch heute von der internationalen Arbeitsteilung. Der Außenhandel ist das einzige, was läuft. Real hätten die Deutschen erheblich weniger im Portemonnaie, gäbe es keine Autos aus Rumänien, Kleidung aus China und Computerprogramme aus Indien und würden Rumänen, Inder und Chinesen nicht deutsche Waren kaufen. Weder moralisch noch ökonomisch, weder im eigenen noch im Interesse anderer ist es zu rechtfertigen, sich dem Handel mit Waren, Diensten und Kapital zu versperren.

Vorgetäuschte Ohnmacht

Die Ohnmacht der Politik ist vorgetäuscht. Das Potential an Deregulierung, Subventionsabbau und weniger staatlicher Bevormundung ist noch lange nicht ausgereizt. Eine kluge Wirtschaftspolitik erleichtert die Anpassung an wirtschaftliche Verhältnisse, sie stellt sich ihr nicht in den Weg. Die Bevölkerung fühlt sich zu Recht ohnmächtig, weil für viele das Realeinkommen fällt und die Arbeitslosigkeit drückt. Die Kritik am Markt aber richtet sich an die falsche Adresse.

Ausgehöhlte Marktwirtschaft

Jahrzehntelang sind die Einkommen in Deutschland gestiegen. Das half darüber hinwegzusehen, daß die Politik die Marktwirtschaft aushöhlte. Sie finanzierte die Verheißung der sozialen Absicherung zunehmend auf Pump. Sie gab den Deutschen das Gefühl, Soziale Marktwirtschaft bedeute die Kontrolle des Marktes durch das Soziale. Das hatte Ludwig Erhard nicht gemeint. Das Soziale an der Sozialen Marktwirtschaft war ihm, daß die Menschen in einer freiheitlichen Ordnung sich selbst Wohlstand erarbeiten können. Der Staat sollte sie dabei nicht stören. Seine Fürsorgepflicht besteht nur für diejenigen, die für sich selbst nicht sorgen können. Mit umfassenden sozialen Zwangsversicherungen, mit staatlichen Eingriffen in die Preissetzung am Arbeitsmarkt und mit protektionistischem Mauerbau hat eine Soziale Marktwirtschaft nichts gemein - weil dies Millionen Menschen die Möglichkeit nimmt, selbst für sich zu sorgen.

Unbegründete Angst

Der internationale Wettbewerb reißt nun das Kartenhaus des deutschen Wohlfahrtsstaats ein. Er legt offen, daß die Politik nur verteilen kann, was am Markt erwirtschaftet wurde. Die Angst der Deutschen vor der Veränderung ist verständlich. Sie ist aber unbegründet. Je eher die Politik lernt, daß politische Macht gegen den Markt nichts ausrichten kann, desto schneller findet Deutschland zur Sozialen Marktwirtschaft und zu früherer Wachstumskraft zurück - und desto schneller finden Erwerbslose wieder Arbeit.


Text: F.A.Z., 29.04.2005, Nr. 99 / Seite 13

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