Motor FM: In Berlin startet das erste Downloadradio
Tim Renner als Radiochef : Motor FM
In Berlin startet das erste Downloadradio
Von Daniel Boese
02. Februar 2005 Tim Renner weiß, wie man einen ordentlichen Rummel veranstaltet. Als er seinen Job als Chef der Plattenfirma Universal Deutschland kündigte, schrieb er gleich ein ganzes Buch über den Tod der Musikindustrie. Jetzt gründet Renner eine Radiostation, die nicht einfach ein neuer Sender sein soll, sondern gleich eine Revolution in der deutschen Radiolandschaft.
Deswegen ist Motor FM gestern, am Dienstag abend, um genau 18.48 Uhr auf Sendung gegangen. 1848 ist das Datum der deutschen Märzrevolution, Motor FM beginnt sein Programm mit dem Lied „Wir haben einen Auftrag” der Punkband Trend.
Nichts für den Mainstream
Den selbstgewählten Auftrag sieht Tim Renner klar vor sich, er will Radio machen, das „immer neu ist und sich keinen Beschränkungen unterwirft”. Frische Musik soll gespielt werden, auch von Künstlern, die noch keinen Plattenvertrag haben. Kein Programm für den Mainstream will er machen, sondern für den begeisterungsfähigen Musikfan von Independent, Rock, Hip-Hop und Elektronik. Die Hälfte des Programms soll mit Musik, die in Deutschland entstanden ist, bestritten werden. Bis Anfang Juni wird Motor FM in Berlin rund um die Uhr auf der Frequenz 106.8 senden und im Internet unter http://www.motor.de/ zu hören sein. Dann wird die Frequenz geteilt, Motor FM läuft dann nur noch zwischen 21 und 9 Uhr.
Natürlich hat diese Revolution auch einen Feind: die Quote. Der Kampf der privaten und öffentlich-rechtlichen Stationen um den Marktanteil hat dazu geführt, daß selbst im innovativen Berliner Radiomarkt fast immer die gleichen Hits wiederholt werden. Davon will sich Motor FM absetzen. Aber dem Druck, mit dem Programm Geld verdienen zu müssen, kann sich auch Tim Renner bei aller revolutionären Rhetorik und Inszenierung nicht entziehen.
Tagesaktuell, aber nicht live
„Wir müssen die Kosten klein halten”, sagt Renner. Das Programm wird zwar tagesaktuell produziert, aber nicht live, was Personal einspart. Es gibt keine Reporter und kein redaktionelles Programm, außer den Informationen über Bands und Musiker. Zur Pressekonferenz wurde in eine Kreuzberger Wohngemeinschaft eingeladen, mit Nescafé und Müsli.
Andere Sender verdienen ihr Geld mit Werbespots, auf Motor FM wird es solche Programmunterbrechungen nicht geben. „Wir wollen eure Werbung nicht”, sagt Tim Renner der Wirtschaft. Statt dessen geht man Markenpartnerschaften ein, so präsentiert Atari eine Sendung, die ältere Bands einem jüngeren Publikum nahebringen will.
Langfristig aber soll sich das Programm über Downloads finanzieren. Bis Anfang 2006 soll es möglich sein, jeden Titel direkt auf das Handy herunterzuladen. Zur Zeit ist noch der Umweg über den Computer nötig. Dabei wird der Hörer ermuntert, die Lieder weiterzukopieren. Über das vom Fraunhofer-Institut entwickelte System „Potato” erhält er eine Provision für jeden über ihn verkauften Titel. Der Schritt, den Fan nicht mehr als potentiellen Dieb zu sehen, sondern als Partner, könnte sich für Renners Revolution als goldrichtig erweisen.
Text: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 02.02.2005, Nr. 27 / Seite 40
Bildmaterial: dpa/dpaweb
In Berlin startet das erste Downloadradio
Von Daniel Boese
02. Februar 2005 Tim Renner weiß, wie man einen ordentlichen Rummel veranstaltet. Als er seinen Job als Chef der Plattenfirma Universal Deutschland kündigte, schrieb er gleich ein ganzes Buch über den Tod der Musikindustrie. Jetzt gründet Renner eine Radiostation, die nicht einfach ein neuer Sender sein soll, sondern gleich eine Revolution in der deutschen Radiolandschaft.
Deswegen ist Motor FM gestern, am Dienstag abend, um genau 18.48 Uhr auf Sendung gegangen. 1848 ist das Datum der deutschen Märzrevolution, Motor FM beginnt sein Programm mit dem Lied „Wir haben einen Auftrag” der Punkband Trend.
Nichts für den Mainstream
Den selbstgewählten Auftrag sieht Tim Renner klar vor sich, er will Radio machen, das „immer neu ist und sich keinen Beschränkungen unterwirft”. Frische Musik soll gespielt werden, auch von Künstlern, die noch keinen Plattenvertrag haben. Kein Programm für den Mainstream will er machen, sondern für den begeisterungsfähigen Musikfan von Independent, Rock, Hip-Hop und Elektronik. Die Hälfte des Programms soll mit Musik, die in Deutschland entstanden ist, bestritten werden. Bis Anfang Juni wird Motor FM in Berlin rund um die Uhr auf der Frequenz 106.8 senden und im Internet unter http://www.motor.de/ zu hören sein. Dann wird die Frequenz geteilt, Motor FM läuft dann nur noch zwischen 21 und 9 Uhr.
Natürlich hat diese Revolution auch einen Feind: die Quote. Der Kampf der privaten und öffentlich-rechtlichen Stationen um den Marktanteil hat dazu geführt, daß selbst im innovativen Berliner Radiomarkt fast immer die gleichen Hits wiederholt werden. Davon will sich Motor FM absetzen. Aber dem Druck, mit dem Programm Geld verdienen zu müssen, kann sich auch Tim Renner bei aller revolutionären Rhetorik und Inszenierung nicht entziehen.
Tagesaktuell, aber nicht live
„Wir müssen die Kosten klein halten”, sagt Renner. Das Programm wird zwar tagesaktuell produziert, aber nicht live, was Personal einspart. Es gibt keine Reporter und kein redaktionelles Programm, außer den Informationen über Bands und Musiker. Zur Pressekonferenz wurde in eine Kreuzberger Wohngemeinschaft eingeladen, mit Nescafé und Müsli.
Andere Sender verdienen ihr Geld mit Werbespots, auf Motor FM wird es solche Programmunterbrechungen nicht geben. „Wir wollen eure Werbung nicht”, sagt Tim Renner der Wirtschaft. Statt dessen geht man Markenpartnerschaften ein, so präsentiert Atari eine Sendung, die ältere Bands einem jüngeren Publikum nahebringen will.
Langfristig aber soll sich das Programm über Downloads finanzieren. Bis Anfang 2006 soll es möglich sein, jeden Titel direkt auf das Handy herunterzuladen. Zur Zeit ist noch der Umweg über den Computer nötig. Dabei wird der Hörer ermuntert, die Lieder weiterzukopieren. Über das vom Fraunhofer-Institut entwickelte System „Potato” erhält er eine Provision für jeden über ihn verkauften Titel. Der Schritt, den Fan nicht mehr als potentiellen Dieb zu sehen, sondern als Partner, könnte sich für Renners Revolution als goldrichtig erweisen.
Text: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 02.02.2005, Nr. 27 / Seite 40
Bildmaterial: dpa/dpaweb
junge - 2. Feb, 14:01
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