Samstag, 19. Februar 2005

Kellermeister Blog

Kellermeister.blogg
Weinlese
Sie kennen das Gefühl, oder? Sie haben eine besonders gute Flasche Wein aufgemacht - und niemand ist da, der die Begeisterung so richtig mit Ihnen teilen kann. Aber das läßt sich ändern. Immer mehr Weinliebhaber nämlich tippen allabendlich ihre Verkostungsnotizen in den Computer. Die Internet-Tagebücher, sogenannte Blogs oder Bloggs, machen Furore - fast jeden Tag erblicken neue Internetseiten das Licht des Bildschirms. Allein Anbieter "http://blogg.de" hat derzeit mehr als 37 000 Seiten registriert, Tendenz steigend.

Unter den Blogs finden sich erfreulicherweise viele interessante Seiten und nur wenig Unsinn. Wer zum Thema Wein schreibt, pardon, bloggt, der leidet nicht an sinnfreiem Schwafel-Bedürfnis, sondern hat meist wirklich etwas zu erzählen.

Der Kommerz scheint in dieser Nische des Internets noch kaum eine Rolle zu spielen: Geld wird nicht verlangt fürs Lesen der alltäglichen Notizen. Zum Beispiel der Riesling-Erfahrungen, die der Autor von "riesling.blogg.de" mehrmals pro Woche ins Netz stellt. Quasi live läßt sich mitverfolgen, wie hier alter Moselriesling verkostet wird, der "Anklänge an Bratapfel" und ein Aroma von Sahnebonbons aufweist. Wer will, kann gleich Kommentare wie "stimmt nicht" eintragen oder mit dem schreibenden Studenten über eigene Riesling-Erlebnisse diskutieren. Vielleicht werden ja bald auch feste Verkostungstermine vereinbart, bei denen sich Weinfreaks aus ganz Deutschland gemeinsam zum Trink-Bloggen verabreden.

Unter "drinktank.blogg.de" geht es noch lebhafter zu. Der Weinjournalist Mario Scheuermann provoziert häufig mit brandeiligen Nachrichten aus der Weinwelt, die nicht jedem Leser gefallen. Die faszinierendsten Geschichten aber schreibt das Wein-Leben selbst: Unter "kellermeister.blogg.de" berichtet ein bislang anonymer Autor aus seinem Weinguts-Alltag. Wo schon mal 21 lächelnde Japaner zum Eisweinkauf kommen, eine bayerische Trachtengruppe nach der Weinprobe zum Tanz aufspielt oder die sparsamen schwäbischen Landfrauen alles aufzutreibende Brot in Tupperwaredosen verstauen. Daß der Kellermeister in Zukunft keine Landfrauenverkostungen mehr durchführen möchte, ist nur allzu verständlich.

Die Hauptstadt fehlt übrigens auch nicht beim Bloggen. Philippe Causse, Inhaber des Käsegeschäfts Maître Philippe, philosophiert neuerdings gern online über die Liebesaffäre von Riesling und Ziegenkäse oder die Methode, einen Vacherinkäse mit einigen Tropfen Pacherenc-Wein im Ofen zu garen (swingcheese.blogs.com). Liest sich prima, macht allerdings auch verdammt durstig!

URL dieses Artikels: http://www.morgenpost.de/content/2005/02/19/ttt/735817.html

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