Freitag, 18. Februar 2005

Amazon und die Verlage

Amazon und die Verlage
Wieviel Inhalt darf es sein?
Von Hannes Hintermeier


18. Februar 2005 Wer ein Buch nicht in der Hand hält, kann es nicht erleben. Er kann es nicht fühlen, die Güte des Papiers prüfen, seinen Geruch erschnuppern. Wer so altmodische haptische Erfahrungen machen will, muß in eine Buchhandlung, am besten in eine mit Leseecken und Wohlfühlanmutung.


So machen es traditionelle Buchkäufer und auch viele jener Zeitgenossen, die sich zuerst im Internet informieren, um dann doch beim Buchhändler zu kaufen. Mit dieser Praxis soll, wenn es nach dem Willen des Weltmarktführers in Sachen Buchversand geht, demnächst in Deutschland Schluß sein. Was auf der amerikanischen Homepage von Amazon seit Herbst 2003 unter dem Begriff „Search Inside the Book” (SITB) angeboten wird, soll nun endlich auch hierzulande reüssieren. Bereits im Januar hätte es losgehen sollen, aber offenbar haben noch nicht allzu viele deutsche Verlage dem heftigen Drängen der Online-Großmacht nachgegeben. Wer für drei Jahre die Online-Rechte abgibt, darf mit günstigeren Konditionen rechnen.

Zwanzig Prozent des Werks lesen

Hinter dem holprigen Kürzel verbirgt sich die Möglichkeit, am Bildschirm in Büchern zu blättern und gleichzeitig nach bestimmten Begriffen zu suchen. Nicht registrierte Besucher der Amazon-Homepage können immerhin auf das Inhaltsverzeichnis und ein paar Textproben zugreifen, Kunden mit gültigem Konto dürfen pro Monat und Buch bis zu zwanzig Prozent des Werkes lesen.

Amazon verspricht mittlerweile, daß man die angeklickten Seiten weder herunterladen noch ausdrucken kann - hat dies aber erst zugesichert, nachdem amerikanische Autoren gegen die zunächst vorhandene Ausdruckmöglichkeit protestiert haben. Besonders nachgefragt sind nicht Romane - die werden allenfalls nach „schmutzigen” Stellen durchforstet -, sondern Sachbücher und Ratgeber und allen voran Comics und Mangas.

Strenge Vertraulichkeit

Ein Marketing-Instrument, das Buchkäufer anlockt, oder die kostenlose Preisgabe von Inhalten? Amazon lobt naturgemäß die Vorzüge der Suchmöglichkeit als Verkaufs- und Umsatzbeschleuniger. Derzeit sind eine viertel Million Bücher digitalisiert; die überwiegende Mehrheit der Nutzer gibt an, die Suchfunktion habe ihre Kaufentscheidung positiv beeinflußt. Wie groß die Umsatzsteigerung tatsächlich ist, bleibt, wie stets im Hause Amazon, ein Thema, zu dem man sich in der Deutschlandzentrale in München nicht äußert. So mußten auch alle deutschen Verlage, denen das Angebot derzeit schmackhaft gemacht wird, schriftlich Vertraulichkeit zusichern.

Im Fahrwasser der Billigbuchwelle aus den Zeitungsverlagen liegen die Nerven bei den Verlagen offenbar blank - man will nur ja keinen Trend übersehen, der mehr Buchkäufer generieren könnte. Der weltgrößte Buchverlag Random House hat mit dem Amazon-Projekt keine Probleme. Natürlich habe man sich mit der amerikanischen Mutter abgestimmt, sagt Random-House-Verleger Klaus Eck. Amazon handele als Global Player, und Random House werde das auch so halten. SITB findet Eck „im Ansatz nicht doof, sondern grundsätzlich positiv”. Alles, was Bücher attraktiver mache, könne nur von Vorteil sein. Grundsätzlich will Eck aber nur im Einklang mit dem stationären Buchhandel agieren. Treueschwüre gegenüber dem Sortimentsbuchhandel gehören eben zum guten Ton.

Der Bock als Gärtner

Die Gegner fragen sich, ob man nicht indirekt den Bock zum Gärtner mache, indem man einen Händler mit ebenjenen Rechten ausstatte, die recht eigentlich die Geschäftsgrundlage von Autoren und Verlagen ausmachen. Denn vorgesehen ist diese Art von digitaler Nutzung nach Lage der Dinge in keinem der üblichen Verlagsverträge. So hat die Urheberrechtsexpertin Constanze Ulmer-Eilfort unlängst in einer Studie die Verlage davor gewarnt, sich leichtfertig über die Einholung der Rechte bei den Autoren hinwegzusetzen. Deutsche Verlage haben derzeit kein Recht, über die Online-Nutzung ohne Zustimmung des Autors zu verfügen. Jeder einzelne Vertrag müsse geprüft werden, ansonsten werde unter Umständen gegen die Treuepflicht verstoßen - was Autoren erlaubte, auf außerordentlicher Kündigung zu bestehen.

Der Volltext-Suche zugestimmt hat neben den Bertelsmann-Verlagen zum Beispiel der Frankfurter Campus Verlag. „Wir betrachten das als verkaufsfördernde Maßnahme für unsere dreitausend lieferbaren Bücher, die nicht kannibalisiert”, so Verlagssprecherin Margit Knauer. Man habe vor geraumer Zeit begonnen, die Autorenverträge in bezug auf Online-Rechte nachzubessern.

Ausnahmslose Ablehnung

Neben der Verlagsgruppe Ullstein steht Holtzbrinck an der Spitze der Skeptiker. Der für das Verlagsgeschäft zuständige Geschäftsführer Rüdiger Salat erklärt, sein Haus werde das vorliegende Angebot in dieser Form ausnahmslos ablehnen: „Es gibt kreativere Varianten, für ein Buch Werbung zu machen, als den gesamten Inhalt in einer weltweit zugänglichen Datenbank zur Verfügung zu stellen.” Der Kausalzusammenhang zwischen Suchfunktion und Kaufanreiz sei von Amazon nicht hinreichend bewiesen.

Daß SITB dem Versandriesen aus Seattle nebenbei noch helfen soll, die hauseigene Suchmaschine A9 mit Daten zu speisen, ist ein weiterer Schritt, der den Weg zum gläsernen Online-Kunden planieren hilft. Hinzu kommt, daß sich das Wachstumstempo im Internethandel derzeit verlangsamt hat - eine Entwicklung, die einem börsennotierten Unternehmen stets die Schweißperlen auf den Aktienkurs treibt. Wie sich die deutschsprachigen Verlage mit diesen „Der freie Markt wird's schon richten”-Geschäftsmethoden arrangieren, bleibt auf absehbare Zeit eine Frage von zentraler Bedeutung - innerhalb und außerhalb von zwei Buchdeckeln.


Text: F.A.Z., 19.02.2005, Nr. 42 / Seite 33
Bildmaterial: AP

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