Dienstag, 22. Februar 2005

Bush kommt - und alles steht still

Bush läßt bei Opel alle Räder stillstehen
Unternehmen arbeiten weniger oder schließen/Schadenersatz im Einzelfall/Von Hans-Christoph Noack und Georg Giersberg


FRANKFURT, 21. Februar. Am morgigen Mittwoch wird das Rhein-Main-Gebiet weitgehend stillstehen. Wegen des Besuchs des amerikanischen Präsidenten in Mainz haben alle Schulen der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt geschlossen und viele Behörden nicht geöffnet. Der Verkehr im gesamten Rhein-Main-Gebiet ist stark behindert. Die Schiffahrt auf dem Rhein wird unterbrochen, die Autobahnen ganz oder teilweise gesperrt, Züge müssen ihre Fahrten unterbrechen, was zu Verspätungen weit über die Region hinaus führen wird, im Personennahverkehr sind erhebliche Verspätungen zu erwarten. Aber auch viele Unternehmen in diesem wichtigen Industrie- und Dienstleistungszentrum Rhein-Main bereiten sich schon seit Wochen auf mögliche Einschränkungen vor und erstellen Ablaufpläne, um die Auswirkungen auf die Produktion möglichst gering zu halten.


Die Industrie- und Handelskammer Frankfurt teilt mit, daß es keine gesicherten Erkenntnisse über das Ausmaß der wirtschaftlichen Folgen bei ihren Mitgliedsunternehmen gebe. "Das ist ein Stochern im Nebel", sagte ein IHK-Sprecher. Auf jeden Fall gelte, je länger die Störungen durch Straßensperrungen dauerten, desto gravierender seien die Folgen. Viele Unternehmen haben indessen ihre Mitarbeiter aufgefordert, einen Tag Urlaub zu nehmen oder Überstunden abzubauen.

Wenn am Mittwoch die Präsidentenmaschine um 9.45 Uhr auf dem Frankfurter Flughafen landet, wird der Flugverkehr am Frankfurter Flughafen, einem der wichtigsten Drehkreuze im internationalen Luftverkehr, für mindestens 15 Minuten gesperrt. Fluggesellschaften wurden aufgefordert, mehr zu tanken, falls die Flugzeuge wegen befürchteter Warteschleifen länger in der Luft bleiben müssen. Denn die Erfahrungen an anderen Flughäfen wie in Brüssel und New York zeigen, daß die Beeinträchtigung durchaus eine Stunde dauern kann.

Bei der Lufthansa, deren wichtigster Flughafen unmittelbar betroffen ist, laufen schon seit Tagen die Vorbereitungen, um für mögliche Einschränkungen gerüstet zu sein. Wie groß das Ausmaß tatsächlich wird, hänge vor allem davon ab, wie lange der Flugraum gesperrt werde. Schließlich müsse nach der Landung die Präsidentenmaschine noch zu ihrer Parkposition rollen, was deutlich länger als eine Viertelstunde dauern könne.

Die Lufthansa versucht ihre 15 Langstreckenflüge, die in diesen verkehrsstarken Zeitkorridor fallen, möglichst zeitnah abzufertigen. Allerdings darf während der Schließung auch kein Catering- oder Tankfahrzeug auf dem Vorfeld bewegt werden. Starts und Landungen sind wahrscheinlich bis zu eine halbe Stunde lang nicht möglich, sagte ein Sprecher des Flughafens auf Anfrage. Er geht davon aus, daß es darüber hinaus auf dem Flugplatz keine weiteren Beeinträchtigungen des Flugbetriebs geben werde. Ein anderer Fall sei die Staugefahr auf den Zubringerstrecken wie den Autobahnen aus dem Rhein-Neckar-Dreieck, dem Raum Köln und Koblenz sowie aus östlicher Richtung. So gebe es Sperrungen des Frankfurter Kreuzes, die Autobahn aus Köln werde bei Niedernhausen für rund zwei Stunden gesperrt. Er forderte die Passagiere auf, "viel, viel Zeit für die Anreise einzuplanen".

Im Zusammenhang mit dem Bush-Besuch in Mainz befürchtet der Automobilclub von Deutschland (AvD) massive Auswirkungen auf den Verkehr. Mehrstündige Vollsperrungen ganzer Autobahnabschnitte zu Hauptverkehrszeiten zwischen 7 und 11 Uhr sowie vom 15 bis 19 Uhr werden nicht nur den Großraum Mainz lähmen, sondern für zeitweiligen Stillstand im gesamten Rhein-Main-Gebiet sorgen.

Aber nicht nur der Passagierverkehr, sondern auch die Luftfracht kann durch die Straßensperrungen beeinträchtigt werden. Schließlich ist der Frankfurter Flughafen eine der größten Luftfrachtdrehscheiben im internationalen Flugverkehr. Eine generelle Sperrung des Luftraums rund 60 Meilen rund um Mainz, das Ziel des amerikanischen Präsidenten, gilt für den Sichtflug. Darunter versteht man kleinere Flugzeuge und Firmenjets. Der Flughafen Egelsbach, dem im Raum in dieser Hinsicht große Bedeutung zukommt, ist ganztägig gesperrt.

Für Fluggesellschaften ist zudem entscheidend, daß ihre Besatzungen rechtzeitig am Flughafen sind. Hotelzimmer am Flughafen sind daher gesucht, vor allem diejenigen, die wie das Sheraton-Hotel unmittelbar am Terminal liegen. Etwas weiter entfernte Hotels, außerhalb des Flughafenrings, könnten von den Straßensperrungen ebenfalls mittelfristig betroffen sein.

Beim Röntgenspezialisten Smiths Heimann in Wiesbaden, der unter anderem die Gepäckdurchleuchtungsgeräte am Flughafen fertigt, richtet man sich darauf ein, daß der Betrieb grundsätzlich ruhen wird. Ein reibungsloser Liefer- und Abtransport sei nicht zu erwarten. Die Mehrzahl der 500 Mitarbeiter werden einen Urlaubstag nehmen. Andere, wie der Zementhersteller Dyckerhoff, wollen den Betrieb aufrechterhalten, rechnen aber damit, dies mit einer eingeschränkten Belegschaft tun zu müssen. Auch der Linde-Konzern rechnet mit erheblichen Einschränkungen. In wichtigen Fällen übernimmt das Unternehmen die Kosten für Hotelübernachtungen, wenn Mitarbeiter wichtige Termine in Wiesbaden wahrnehmen müssen.

Die Opel AG in Rüsselsheim läßt die Produktion vorsichtshalber ganz ruhen. Die beiden Schichten vom 23. Februar werden an den kommenden Samstagen jeweils als Frühschicht nachgeholt - ohne Lohnausgleich, wie eine Sprecherin bestätigt. Frei haben am morgigen Mittwoch jedoch nur die Produktionsmitarbeiter, in der Forschung und in der Verwaltung wird gearbeitet, weil es dort wegen der Gleitzeit nicht auf ein pünktliches Erscheinen ankommt. Aber für die Produktion wäre wegen des großen Einzugsgebiets nicht gewährleistet, daß die Mitarbeiter pünktlich zu Schichtbeginn im Werk sind.

Eine ganz andere Lösung hat man bei den Schott Werken in Mainz gewählt. Schott ist mit 3200 Mitarbeitern der größte Arbeitgeber in der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt und - arbeitet am Mittwoch "so normal wie möglich". Allerdings hat man sich auf Störungen vorbereitet. Wer abkömmlich ist, möge bitte Urlaub nehmen, wurde empfohlen. Außerdem sind alle Mitarbeiter rechtzeitig gebeten worden, Kundentermine, Anlieferungen und Abholungen auf andere Tage zu verlegen und nicht für Mittwoch einzuplanen. Die wichtigste Maßnahme ist die Anpassung der Schichtzeiten. So ist der Beginn der Frühschicht auf 5 Uhr vorverlegt worden, um am Morgen allen Straßenabsperrungen zuvorzukommen. Die Schicht endet um 12 Uhr, zu einer Zeit, in der die amerikanische Delegation beim Essen sein dürfte und wahrscheinlich nicht in der Mainzer Innenstadt unterwegs ist. Die Spätschicht läuft ausnahmsweise 10 Stunden, damit die Mitarbeiter um 22 Uhr dann frei von Absperrungen ihren Heimweg antreten können. Mitarbeiter, die am Mittwoch von Rhein-Main ins Ausland fliegen, ist nahegelegt worden, in Flughafennähe ein Hotel zu beziehen, um nicht wegen Staus oder Straßensperrung den Flug zu verpassen.

Unklar ist, ob die Unternehmen für Produktionsausfälle Schadenersatz beantragen können. Bei der Landesregierung in Mainz verweist man darauf, daß es sich um eine Einladung der Bundesregierung handelt und im Zweifel diese für Schadenersatzleistungen zuständig sei. Unabhängig von der Zuständigkeit empfiehlt die Industrie- und Handelskammer Mainz allen Unternehmen, Schadenersatzforderungen bei der örtlich zuständigen Polizeidienststelle einzureichen. Die Polizei leitet sie an die Zivilgerichte weiter. Dort werde jeder Einzelfall geprüft. Es sei zu untersuchen, ob der wirtschaftliche Schaden ursächlich mit dem Bush-Besuch zusammenhänge und ob das Unternehmen alles getan habe, um durch organisatorische Maßnahmen den Schaden so gering wie möglich zu halten. Die meisten Unternehmen vom Kiosk bis zum Großbetrieb haben aber Verständnis für die Widrigkeiten an diesem Tag, sagt ein Polizeisprecher.


Text: F.A.Z., 22.02.2005, Nr. 44 / Seite 20

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